Am 11. Dezember 2023 ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an prominenter Stelle ein Artikel von Manfred Köhler mit der vielsagenden Überschrift „Mehr Rechte für Bürgermeister“ erschienen.
Verband der kommunalen Wahlbeamten in Hessen e.V.
Karl-Christian Schelzke
Wörtlich ist dort folgendes nachzulesen: „Wenn CDU und SPD im Hessischen Landtag zueinander finden, sollte es auch ein Bündnis sein, das sich den Kreisen, Städten und Gemeinden in besonderer Weise zuwendet. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Ausstattung der Gemeindefinanzen, deren Unzulänglichkeit in den Kreis- und Rathäusern immer wieder beklagt wird. Wenn mit CDU und SPD zwei dort stark verankerte Parteien gemeinsam regieren, die beide Landräte und Bürgermeister in großer Zahl stellen, in denen also kommunalpolitischer Sachverstand in hohem Maße vorhanden ist, dann sollte dies auch Gelegenheit sein, die überfällige Reform der Hessischen Gemeindeordnung anzugehen.
Es geht namentlich um die 1992 eingeführte Direktwahl der Bürgermeister. Diese Reform ist seinerzeit auf halbem Wege steckengeblieben, weil die Amtsinhaber zwar einerseits durch diese Wahl in besonderer Weise legitimiert, andererseits aber mit nur wenigen Rechten ausgestattet sind. Die Direktwahl passt nicht zur weiterbestehenden Magistratsverfassung aus preußischer Zeit, bei der die Stadtregierung ein Kollegialorgan mit wenigen Rechten für das Stadtoberhaupt ist. Da man die Direktwahl kaum wieder abschaffen kann – ob sie wirklich ein Mehr an Demokratie gebracht hat, steht dahin –, kann der nächste Schritt nur darin liegen, die Bürgermeister mit solchen Kompetenzen auszustatten, die ihnen ein regelrechtes Regieren erlauben. Es böte sich an, über die Landesgrenzen zu schauen, etwa nach Baden-Württemberg.“
Soweit Manfred Köhler.
Warum nicht den ganz großen Wurf wagen? Nur noch in Bremerhaven (!) und in Hessen gilt die unechte Magistratsverfassung mit ihren zwei Entscheidungsgremien, dem Magistrat/Gemeindevorstand und der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung.
In der der Depesche vom 6. Dezember 2021 wurde dieses Thema unter der Überschritt „Ist die nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltende unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß?“ aufgegriffen.
Nahfolgend sei dieser Artikel in Erinnerung gerufen: „Auch wenn hinsichtlich der hessischen Magistratsverfassung auf mehr als 210 Jahre zurückgeblickt werden kann, dürfte es nicht verkehrt oder gar verwerflich sein, in eine öffentliche Diskussion einzutreten, ob die in Hessen geltende, sogenannte unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß ist, will heißen, ob sie angesichts der in den kommunalen Entscheidungsgremien vermehrt vertretenen Fraktionen noch zeitnahe Entscheidungsprozesse ermöglicht.
Ulrich Dreßler, Leitender Ministerialrat im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, hat sich in der Publikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Titel „Die Spielregeln der Demokratie in den hessischen Gemeinden, 210 Jahre Magistratsverfassung“ intensiv und auch kenntnisreich mit der nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltenden Magistratsverfassung befasst und sich als deren glühender Befürworter erwiesen. Die 20 Seiten umfassende Broschüre kann am einfachsten über Google: „Dreßler Blickpunkte Nr. 11“ abgerufen werden und sollte als Ausgangspunkt für eine Diskussion unbedingt genutzt werden.
Dies gilt insbesondere für seine etwas burschikose Feststellung auf Seite 17: „Kritiker der Magistratsverfassung, die über keine Detailkenntnisse und keine Praxiserfahrung verfügen, neigen daher leicht zu dem Schluss, die Magistratsverfassung sei schwerfällig und mit der Urwahl des Bürgermeisters kaum zu vereinbaren, weil die Erwartungen der Bürgerschaft an einen von ihr direkt gewählten Bürgermeister wegen dessen Machtlosigkeit zwangsläufig enttäuscht werden müssten.
Wer sonst, wenn nicht die kommunalen Wahlbeamten und –beamtinnen in Hessen verfügen über Detailkenntnisse und Praxiserfahrung. Von daher sollten sich diese auch entsprechend zu Wort melden.
Der Verband der Hessischen Kommunalen Wahlbeamten hat demgegenüber schon seit Jahrzehnten immer wieder auf die Vorzüge der baden-württembergischen Bürgermeisterverfassung hingewiesen und dies nicht erst seit Einführung der Direktwahlen der hessischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.“
Der VKWH hatte bereits in seinem Jubiläumsjahr 2022 die Zukunft der unechten Magistratsverfassung verbandsintern zur Diskussion gestellt und in der am 18. November 2022 in Wiesbaden stattgefundenen Jubiläumsveranstaltung hat der ehemalige hessische und nunmehr baden-württembergische Bürgermeister Marcus Schafft, beide Kommunalverfassungen in einem Vortrag kritisch beleuchtet (der Beitrag ist in der Jubiläumsschrift abgedruckt – siehe Download auf dieser Seite).
Wann sonst, wenn nicht jetzt sollte das Thema in die öffentliche politische Diskussion hineingetragen werden? Auch wenn sich in der CDU/SPD Koalitionsvereinbarung 2024 bis 2029 zu diesem Thema keine konkreten Aussagen finden lassen, so ist dies kein Hindernisgrund. Immerhin steht unter der Überschrift „Kommunalrecht“ (S. 160): „Wir werden die Attraktivität kommunaler Wahlämter steigern und dabei insbesondere die Aspekte der Versorgung und Besoldung, auch mit Blick auf weitere Amtszeiten, berücksichtigen“.
Diese Aussage dürfte auch auf die immer wieder vom VKWH erfolgten Hinweise zurückzuführen sein, wonach u.a. die derzeitigen Pensionsregelungen ein Hindernisgrund sind, sich für ein kommunales Wahlamt zu bewerben. Schön, dass wir zumindest in dieser Hinsicht einen Etappensieg errungen haben.
Der VKWH kümmert sich auch weiterhin engagiert. Wir werden die Fraktionsvorsitzenden der im Hessischen Landtag vertretenen Parteien zu entsprechenden Gesprächen einladen.